Wie motiviere ich mich für die Extrameile?
Die Fähigkeit zur Selbstmotivation ist der größte Erfolgsfaktor zur Erreichung privater und beruflicher Ziele. Intrinsisch motivierte Menschen verfolgen ihre Ziele oftmals mit einer hohen persönlichen Leidenschaft und sagen nicht selten “Das fühlt sich für mich gar nicht wie Arbeit an.” Wie lässt sich diese Aussage in der Psychologie einordnen und welche praktischen Methoden gibt es, um sich selbst zu motivieren?
Motivation
Der Begriff Motivation (lat. movare = Bewegung auslösen) wird in der Psychologie als die Summe der aktivierenden Beweggründe für menschliches Handeln definiert und kann in drei Dimensionen betrachtet werden: Intensität Richtung und Ausdauer. Maßgeblich beeinflusst wird die Ausprägung dieser Dimensionen durch zwei subjektive Wahrnehmungen: Die Wünschbarkeit des Ziels und die Realisierbarkeit. Ein wünschenswertes Ziel wird beispielsweise nicht angestrebt, wenn es subjektiv als nicht realisierbar wahrgenommen wird. Die Realisierbarkeit beruht zum Großteil auf der subjektiven Wahrnehmung unserer persönlichen Stärken sowie der Beurteilung der Umgebungsfaktoren. Das Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten und das Vertrauen die externe Faktoren für die eigene Zielerreichung steuern zu können führt zu einer hohen Motivation.
Zwei treibende Kräfte: Vermeidung von Schmerzen und Erleben von Freude
In vereinfachten Modellen werden für menschliches Handeln zwei grundlegende Bedürfnisse angenommen: Das Bedürfnis zur Vermeidung von Schmerzen und das Erleben von Freude. Kurz: Angst und Liebe. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das oberste Ziel Schmerzen zu vermeiden und der Emotion der Angst zu folgen. In der Steinzeit war es beim Verlassen der Höhle stets ratsamer einen Säbelzahntiger zu fürchten als verträumt die Blumenwiese zu betrachten. Heutzutage hat die Menge an Alltagseindrücken massiv zugenommen und wir neigen dazu Ereignisse unterbewusst aufgrund dieser Konditionierung mit unnötig starker Angst zu beurteilen. Im heutigen Alltag fällt es daher leichter aus der Angst heraus zu handeln (”Wenn ich diese Aufgabe nicht erledige verliere ich meinen Job und Lebensstandard.”). Die stärkere Motivation (Intensität, Richtung und Ausdauer) entsteht jedoch aus der Emotion der Liebe und damit verbunden dem Erleben von Freude. Daraus entwickelt sich die Motivation für die „Extrameile“ im Job oder auch für private Projekte wie eine nebenberufliche Selbstständigkeit.
Kognitive Dissonanz und Entwicklung von Disziplin
Die kognitive Dissonanz ist vereinfacht ausgedrückt das Spannungsfeld aus Denken und Handeln. Wenn die persönlichen Überzeugungen, Emotionen und Werte nicht mit dem eigenen Handeln und den Entscheidungen übereinstimmen, befindet sich der Mensch in einem unangenehmen motivationalen Zustand (Dissonanz). Dieser Zustand kann auch als Abweichung von Ich-Ideal und Ich-Realität beschrieben werden. Ein einfaches Alltagsbeispiel verdeutlicht das Konzept: Angenommen meine innere Überzeugung ist es gesünder zu leben und mich bewusster zu ernähren. Damit verbinde ich eine positive Emotion und die Achtung der eigenen Gesundheit kann als wertorientiert gesehen werden (”Ich-Ideal”). Allerdings ist dieses Vorhaben nicht von langer Dauer: Die Schokolade am Abend, Fast-Food und Couch statt Sport sind die eigentlichen Entscheidungen und resultierenden Handlungen in der Realität (”Ich-Realität”). Diese kurzfristige Befriedigung der Triebe fühlt sich im ersten Moment subjektiv gut an, widerspricht jedoch dem eigenen Ideal und erzeugt oftmals unterbewusst, aber auch teilweise ganz bewusst einen emotionalen Spannungszustand (”Schon wieder hat mich der innere Schweinehund gepackt.”). Die Ursache liegt oftmals im Unterbewusstsein, dass unsere Handlungen zu einem Großteil (bis zu 90 Prozent) beeinflusst.
Das Unterbewusstsein muss daher positiv beeinflusst werden, um eine nachhaltige Motivation zur Zielerreichung sicherzustellen. Essentiell ist hierbei ein natürliches Streben zu entwickeln, um die Dissonanz aus Ich-Ideal und Ich-Realität so gering wie möglich zu halten (Disziplin).
Tue ich heute das, um die Personen zu werden, die ich morgen sein möchte?
Diese Motivation lässt sich erzeugen indem wir den Weg und den finalen Zustand der Zielerreichung mit dem Erleben von Freude konditionieren. Dies führt im besten Falle dazu, dass die Ausübung der notwendigen Handlung zur Zielerreichung nicht als Arbeit aus dem Bedürfnisse der Vermeidung von Leid (Angst) wahrgenommen wird. Viel mehr ist die notwendige Handlung zur Zielerreichung das Ausleben der persönlichen Leidenschaften sowie die eigene Potentialentfaltung (Selbstverwirklichung des Ich-Ideals) und erfolgt somit aus Liebe zum Erleben von Freude (”Das fühlt sich für mich gar nicht wie Arbeit an”.)
In drei Schritten zur Motivation für die Extrameile
1. Die Vision und das Vision-Board
Die Vision beschreibt die innere Ausrichtung und ist damit auch richtungsweisend für die eigene Motivation. Die Vision ist langfristig orientiert und darf in der Formulierung des Zielzustandes auch etwas utopisch sein. Das Ziel der Vision ist es groß zu denken und eine inspirierende Motivation zur Verwirklichung zu entwickeln.
- Wohin will ich mich entwickeln? Wie sieht meine Zielzustand aus?
- Was verändert sich für mich und meine Umwelt, wenn ich meinen Zielzustand erreiche (Umfeld, Beziehungen, Wertschätzung, Verwirklichung eigener Ideen)?
- Was bewirke ich damit? Wie fühle ich mich dabei?
- Welche Fähigkeiten oder Charakterstärken möchte ich ausprägen?
Es lohnt sich diese Fragen schriftlich zu beantworten. Daraus lässt sich eine konkrete Vision formulieren und anschließend beispielsweise mit Bildern visualisieren. Für den Extraschub-Motivation kann dieses Vision-Board physisch an einem alltäglichen Ort zu Hause platziert werden, um die eigene Vision im Unterbewusstsein zu konditionieren.
2. Zieldefinition und sinnvolle Meilensteine
Aus der Vision lassen sich anschließend konkrete Ziele ableiten. Was muss ich tun um eine Vision zu verwirklichen, welche Ressourcen (Fähigkeiten, physische Güter oder Netzwerke) benötige ich und wie kann ich diese entwickeln? Diese Ziele werden anschließend in erreichbare Meilensteine unterteilt und sorgen somit auch für kontinuierliche Erfolgserlebnisse (Erleben von Freude), welche die Motivation stärken. Die bekannte SMART-Methode zur Zieldefinition hilft bei dieser Vorgehensweise.
- Spezifisch: Ziele konkret und mit möglichst wenig Interpretationsspielraum formulieren.
- Messbar: Qualitative oder Quantitative Kriterien festlegen, welche die erfolgreiche Zielerreichung bestimmen lassen.
- Attraktiv: Das Ziel sollte attraktiv sein, d.h. mit dem Erleben positiver Emotionen verknüpfen sein.
- Realistisch: Das festgelegte Ziel zu erreichen sollte unter Beurteilung aus Machbarkeit und Mitteln möglich sein. Dennoch sollte das Ziel auch herausfordernd sein, sodass die Erreichung attraktiv ist.
- Terminiert: Unser Leben ist zeitlich beschränkt und so sollte auch die Zielerreichung zeitlich bindend geplant werden. Kurz: Was muss bis wann erledigt werden?
3. Hindernisse überwinden: Die WOOP-Methode
Die WOOP-Methode vereint zu einem Großteil die Ergebnisse aus Schritt 1 und 2. Als Ergänzung beinhaltet WOOP auch den Umgang mit möglichen Hindernissen und steht als Akronym für folgende Vorgehensweise:
- Wish (Wunsch): Welches Ziel möchte ich erreichen? (Schritt 2 / SMART-Methode)
- Outcome (Ergebnis): Was verändert sich für mich, wenn ich mein Ziel erreiche? (ähnlich zu Schritt 1 / Vision-Board)
- Obstacle (Hindernis): Diese Perspektive entwickelt eine Vorgehensweise zum Umgang mit realistischen Hindernissen (Übervorsichtigkeit sollte vermieden werden). Dies kann beispielsweise der Umgang mit schwierigen Verhandlungspartnern sein, die Bewältigung von Zeitdruck in stressigen Situationen oder wie reagiere ich auf Kritik meines Umfelds? Für diese Szenarien werden anschließend Lösungen erarbeitet, die beim Auftreten des Hindernisses einfach abgerufen werden können (Wenn-Dann-Szenario: Wenn X passiert, mache ich Y.)
- Plan: Entwicklung der Umsetzung durch konkrete Realisierungsschritte (Schritt 2 / SMART-Methode)
Hinweis zur WOOP-Dimension Wish und Outcome: In der WOOP Methode wird zuerst das Ziel definiert und anschließend der Zustand der erfolgreichen Zielerreichung abgeleitet. Damit hat die WOOP-Methode eher einen analytischen Fokus in der Dimension Outcome. Das Vision-Board hingegen legt einen stärkeren Fokus auf der emotionalen Ebene (Konditionierung des Unterbewusstseins, Erleben von Freude). Die Vorgehensweise ist jedem selbst überlassen und hängt von der Komplexität des Ziels ab. Ein spezifisches Ziel wie einen 10 Kilometer Lauf zu absolvieren lässt sich direkt analysieren. Bei komplexen Themen wie der Verwirklichung einer Idee / einer Selbstständigkeit kann es einfacher sein mit der Vision zu beginnen und daraus spezifische Ziele abzuleiten.
Motivation in der Positiven Psychologie
Motivation spielt auch in der Positiven Psychologie eine essentielle Rolle. So können die Dimensionen des PERMA-Modells mit der Motivationspsychologie verknüpft werden:
- Positive Emotions: Die bewusste Wahrnehmung und das Erleben positiver Emotionen fördern. Voraussetzung dafür ist eine möglichst geringe bis gar keine kognitive Dissonanz (Abweichung aus Denken und Handeln / Selbst-Ideal und Selbst-Realität).
- Engagement: Das Bewusstsein über die eigenen Charakterstärken spielt auch bei der Entwicklung der Motivation eine wichtige Rolle, um die realistische Erreichbarkeit von Zielen beurteilen zu können.
- Relationships: Das systemische Verständnis über die eigene Rolle in Beziehungen (wie familiär, partnerschaftlich, freundschaftlich oder geschäftlich) hilft den Einfluss auf die eigene Motivation zu verstehen. Das umfasst die Erkennung emotionaler Abhängigkeiten oder toxischer Beziehungen, aber auch die Wahrnehmung und Dankbarkeit gegenüber unterstützenden und inspirierenden Menschen im eigenen Umfeld.
- Meaning: Eine sinnstiftende Vision zu entwickeln konditioniert das Unterbewusst positiv und schafft eine emotionale Bindung zum Zustand der Zielerreichung.
- Accomplishments: Die Definition von Zielen und Meilensteinen sorgen für messbare Erfolge und für das bewusste Erleben positiver Emotionen bei erfolgreicher Erfüllung.
Fazit
Die Fähigkeit zur Entwicklung der Selbstmotivation aus dem inneren Streben nach einem wünschenswerten und realistischen Zielzustand (intrinsische Motivation) trägt maßgeblich zur Selbstverwirklichung und zum persönlichen Wohlbefinden bei. Das Verständnis über das Ich-Ideal und die Ich-Realität sowie die bestmögliche Vermeidung einer kognitiven Dissonanz lässt uns positive Emotionen stärker erleben und eliminiert Motivationsbarrieren. Ein klar definiertes Ziel und eine emotionale Vision beeinflussen unser Unterbewusstsein positiv und tragen signifikant zur langfristigen Motivation und Zielerreichung bei.
Autor: Eric Neuheiser (eric@positive-sales.com) | Veröffentlicht am 12.03.2023
